Als ich vor genau 500 Tagen von Zürich nach Hamburg gekommen bin, ahnte ich noch nicht, daß Vivien Mahler Grund genug zum Bleiben wäre. Nun lebe ich hier und weiß, daß Vivien Grund genug ist, nicht mehr wegzugehen. In fast allen Theaterprojekten, an denen ich seither gearbeitet habe, war Vivien dabei, zum Glück. 'Dabei sein' heißt für Vivien Mahler nicht einfach 'präsent' sein, diesen Gefallen tut sie sich (und hin und wieder auch ihren Regisseuren) nicht. Denn Vivien unterscheidet nicht zwischen ihrer Rolle und ihrem Leben, jedenfalls nicht, soweit es das Maß ihrer Hingabe betrifft. Sie lebt und sie arbeitet voller Kraft und Liebe, Seele und Herz, Ernsthaftigkeit und Humor. Wenn sie eine Figur 'auslebt' - und das ist tatsächlich die zutreffende Umschreibung für ihr 'spielen' -, dann ist bereits die Entstehung dessen, was man später auf der Bühne bestaunen kann, ein Erlebnis. Vivien ruht sich nie auf dem bereits Erarbeiteten aus, sondern sie kreiert ihre Rolle stets von Neuem. Das ist für sie  selbstverständlich, sie denkt nicht einmal daran, bequem zu sein, schließlich lebt sie ihre Figuren, eben, 'aus'.

Nun wäre das allein ja schon Grund genug, ein Leben lang mit Vivien arbeiten zu wollen, aber sie kann noch mehr. Sie hat zum Beispiel die Fähigkeit - und darin ist sie wohl wirklich einzigartig -, in jeder Probe und in jeder Szene, in der sie sich befindet, egal wie intensiv oder anstrengend es für sie gerade ist, den Blick auf das Ganze zu behalten. Und wenn alle Beteiligten, inklusive Regisseure, die Kontrolle über das Stück verlieren (und, glauben Sie mir, dieser Moment kommt in jeder Produktion), dann weiß Vivien immer noch genau, was geschieht, unbeirrbar und unbestechlich, auch sich selbst gegenüber.

Ich möchte es nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß ich natürlich befangen in meinem Urteil bin. Schließlich habe ich Vivien Mahler sehr viel zu verdanken. Nicht nur, daß sie fast alle meine bisherigen Produktionen in Deutschland mit der Fülle ihrer Ideen, Geduld, Klugheit, Loyalität und Hingabe in einem Masse bereichert hat, wie ich es mir jeweils bei Probebeginn nicht hätte vorstellen können - mittlerweile rechne ich natürlich damit, dennoch wird sie es immer schaffen, meine gestiegenen Ansprüche von neuem zu übertreffen -, sondern sie hat mir dadurch auch mein Leben bereichert, in diesem fremden und seltsamen Land. Deswegen liebe ich sie gleich noch einmal so sehr.

500 Days ago I came from Zurich to Hamburg and I had no idea that Vivien Mahler would be reason enough to stay. In the meantime I do live here and I know that Vivien is reason enough for not going away again. I am fortunate that Vivien has been part of almost every stage production in which I was involved since. 'Being part of' means to Vivien not only being 'present', this would be a favor she'd never render to herself (and some of her directors), as she makes no difference between her role and her life (at least she does not as far as the amount of her devotion is concerned). She lives and works with total energy and love, heart and soul, seriousness and humour. When she does 'live out' - and this is in fact the adequate designation of her 'acting' - the process of development of the product to be seen is already an experience. Vivien never rests, she always creates her role anew. For her it is self-evident as she never thinks of being lazy but - after all - 'lives out' the figure she plays.

Obviously this would be reason enough to want to work with Vivien for a lifetime, but she still has more to offer. For example the truly unique ability to survey the whole production in any rehearsal or scene she is in, no matter how intense or exhausting it just might be. Even if everyone has lost control including directors (and trust me, every production arrives at this point, sooner or later), Vivien knows exactly what happens, imperturbable und incorruptible, even towards herself.

I shall not fail to point out the fact that I am of course prejudiced in my opinion regarding Vivien, since I owe quite a lot to her. Not only that she has enriched almost all of my productions in Germany so far with the abundance of her ideas, patience, intelligence, loyalty und devotion to such a degree I could never have expected when rehearsal started - meanwhile I count on her from the beginning, however, she always will manage to top my increasing demands - but thereby she also has enriched my life in this strange country. That is why I love her twice as much.

M. L.